Montag, 3. August 2009

Gesehen, gehört, verdrängt (verschwiegen)

Nichts hören, nichts sehen und nichts riechen – Three Monkeys a.k.a. Hans, Wolfgang St. und Wolfgang H.


Dieses Bild war einfach zu großartig, um es nicht auszuwählen… der Magazineur wacht persönlich über sein Archiv. Zu jeder Zeit, koste es, was es wolle.


Best Of Camino 2009



Ihr habt es so gewollt!

Durch eure großartige Treue zu diesem Blog, durch euer ehrendes Interesse an unserer Sache habt ihr uns soweit gebracht, dass wir uns gesagt haben – es kann nicht einfach so zu Ende gehen. Wir wollen euch – gemäß unserer Ankündigung – noch einen letzten lesbaren Appetithappen servieren: den finalen Blogeintrag – wenn man so will ein „Best Of Camino 09“.
Zu allererst möchte ich mich im Namen des gesamten Teams für euer Interesse bedanken, eure zahlreichen Reaktionen haben uns die Tour sehr versüßt. So kam auch ein toller Dialog zwischen Team und „Daheimgebliebenen“ zustande, auf diese Art regelmäßige Berichte zu schreiben, bereitete auch mir persönlich sehr viel Freude.

Beginnen möchte ich mit der Zusammenfassung der sportlichen Daten unserer „Pedalritter“ und einen finalen Überschlag der Werte präsentieren:

Fahrleistung

In aller Bescheidenheit gesagt sind die insgesamt 3005,45 km, die insgesamt von den Radlern abgespult wurden, ohne Kommentar. Wir lassen die Zahl so stehen und sie für sich selbst sprechen.
Die verbrauchten Kalorien pro Radlernase lassen in jedem Fall aufhorchen – nicht weniger als 83.848 kcal haben die „Pedalritter“ auf den Straßen von Österreich, Slowenien, Italien, Frankreich und Spanien aus ihren Körpern getreten. Darauf werden wir später in der Gesamtstatistik des Teams noch einmal zu sprechen kommen.
Bis in die Schwerelosigkeit sind wir geradelt – 23.900 Höhenmeter haben uns jenseits von Atmosphäre und Stratosphäre katapultiert, und das auch noch ohne wirkliche Probleme. „Houston, wir haben kein Problem…“.
Geschlagene drei Arbeitswochen (so was in die Art war es im Endeffekt auch) im Sitzen? Ganz Recht, denn 118 Stunden und 33 Minuten verbrachten die drei Herren insgesamt im Sattel…
„Wo ist denn an diesem neuen Moped der Motor?“, werden sich die Menschen in den befahrenen Ländern gefragt haben. Die durchschnittlich gefahrene Geschwindigkeit von 25,4 km/h erinnert auf jeden Fall ein bisschen an einen Ausflug mit kleinen Mofas…
Ein Stückchen Heimat empfanden wir auch in Hinblick auf die Temperaturextreme, vor allem in Spanien sehr stark ausgeprägt – die Gerüchten zufolge als „Ausseer Sommer“ (Quelle der Redaktion bekannt…) beschriebenen 11° C Tiefsttemperatur ließen diverse Gänsehäute entstehen und machten sogar den Einsatz langer Radkleidung und sogar langer Hosen bei diversen Begleitern nötig. Brrr…
Ich weiß schon, uns kann man es einfach nicht Recht machen. Zuerst beschweren wir uns über die Kälte, dann ist es etwas wärmer und es passt uns auch nicht. Dabei hatte es durch nur 46° C, als wir mit den Pyrenäen und ihren Ausläufern bzw. Vorboten kämpften…Oder waren wir doch versehentlich in Death Valley gelandet? Die Rekordhöchsttemperatur der gesamten Reise war an jenem Etappentag jedenfalls erreicht.
Wer hätte gedacht, dass sich der Sturm „Kyrill“ bis nach Spanien retten würde? Wenn wir nicht gerade durch die vorigen Verhältnisse gebeutelt wurden, blies uns der nordspanische Wind mit Spitzen von 80 – 100 km/h um die Ohren… Jeder, der schon einmal bei viel Wind mit dem Rad unterwegs war, weiß genau, was das heißt.
Einmal von Graz bis zum Schoberpass – so verlief unsere kürzeste Tagesetappe. 84,6 km wurden an diesem Tag zurückgelegt, während die längste Etappe uns wiederum auf 181 km brachte – einmal Graz – Wien mit dem Rad also.

Gastronomische Daten

Einen Einblick wollen wir euch in die „Verhaltensspuren“ des gesamten Teams geben.

Eigentlich hätten wir einen kleinen Bauernhof mitführen müssen – mit Hühnerstall und zumindest einer Kuh. Die über 300 verputzten Eier müssen ja schließlich irgendwo herkommen, gleich wie die 5 kg Butter, die auf diversen Broten landeten.
Stichwort Brot – das Baguette, das wir unterm Strich jeden zweiten Tag zu uns nahmen, hatte es uns besonders angetan – so sehr angetan, dass wir sogar auf insgesamt etwa 75 Meter verputztes Backwerk kommen. Würde man eine Stange Brot in dieser Länge aufstellen, könnte noch der oberste Bewohner eines Hochhauses abbeißen. Von unserem erhöhten Bedarf an Gebäck zeugen auch die mehr als 600 Stück Toastbrot, das wären in etwa 30 Packungen.
Kulinarisch wird’s auch im Bezug auf Getränke – unter (oder doch eher über…?!) 30 Flaschen Rotwein haben den Weg unsere Kehlen hinunter gefunden. In diesem Sinne: „An Wein hamma eh no, oder?“.
Die Radler im Team waren sich einig: „Noch nie hab ich so viel Cola getrunken!“. In der Tat hat wohl noch niemand 300 Dosen Cola in einem Monat vernichtet. Wir schon. Und wir leben noch.
Unter anderem Etappen mit immensem Flüssigkeitsbedarf, wie etwa bei der Pyrenäenquerung, trieben unseren Verbrauch an Wasser und diversen Säften auf nicht weniger als 600 Liter – ein kleines Löschfahrzeug hätten wir also auch noch mitführen können.
Auch gefrühstückt musste werden, deshalb können wir auch stolz auf insgesamt etwa 2 ½ kg Kaffee, 100 Portionen diverser Tees, und auch noch gut fünf ordentliche Kübel Marmelade zurückblicken. Vor allem Letzteres wundert angesichts der Tatsache, wie so manches Teammitglied sein Brot bestreicht, wohl niemanden mehr – man könnte staunen, wie viel Brot man auf die Marmelade auftragen kann (und diese Formulierung hat schon so ihre Richtigkeit!).
Als wahre „Nudeltiger“ entpuppten sich die Teammitglieder ebenfalls, ca. 20 kg Nudeln wurden im Endeffekt verarbeitet und verputzt.
Man könnte nun ewig so weiter aufzählen, aber ich denke einmal, man kann es so gut sein lassen. Die weiteren Mengen an Fleisch, Fisch, Aufstrichen, Wurst, Schokolade, Apfelmus, Nachspeisen und und und, wollen wir euch hier ersparen. Wir wollen doch keinen falschen Eindruck erwecken…

Um noch einmal auf die verbrauchten Kalorien zu sprechen zu kommen – Wir wollen euch hier den Verbrauch des gesamten Teams in einem Monat vor Augen führen:
Etwa 600.000 Kalorien hat das „Team Camino 2009“ verbraucht – das will erst mal verdaut werden!
Doch was sind 600.000 Kalorien eigentlich?
Beispielsweise etwa 7000 Cola-Dosen, 750 Leberkäsesemmeln (um diesen beliebten Vergleich wieder einmal zu ziehen) oder 2150 Packungen Butter!
938 Liter Milch würden ebenfalls diesem Gegenwert entsprechen – um wieder einmal vor Augen zu führen, der heutige Radpilger muss einfach seine eigene Kuh mithaben…
Nur um es plastisch darzustellen, wie 600.000 Kalorien aussehen, nicht um den tatsächlichen Verbrauch wiederzuspiegeln wollen wir euch sagen, das etwa 1200 Flaschen Bier ebenfalls diesen Gegenwert haben.
Auch mit diversen Süßigkeiten kann man sich diese beinahe astronomische Zahl schön verdeutlichen. Versucht doch einfach einmal, 2400 Stück Magnum-Eis oder 6666 Twinni zu schlecken, ohne Hirnfrost zu bekommen. Oder dürfen es doch 1200 Packerl Manner-Schnitten bzw. 1165 Tafeln einer etwas üppigeren Schokolade sein? Wie ihr wollt!

Nun wollen wir uns mit der nächsten Rubrik auch dem Titel dieses Eintrages widmen –
Gesehen, gehört, verdrängt (verschwiegen).
Bitte nicht böse sein, dass die Einträge hier nur Stichwortartig verzeichnet sind, aber der Blog würde sonst den Rahmen sprengen. Außerdem wollen wir diese Momente noch einmal für sich selbst sprechen lassen.

Gesehen (und aufgefallen)

Besondere, in Erinnerung bleibende Highlights des Teams –
Der gesamte letzte Tag, mit der Fahrt von Santiago zum Cap Fisterra, mit der 3,5 km langen Triumphfahrt nebeneinander, auf der letzten Steigung zum „Ende der Welt“, außerdem die Atmosphäre der Templerkirche Eunate bei Puente la Reina (Wolfgang H.);
die vielen glücklichen Menschen und die gelöste Stimmung vor der Kathedrale in Santiago (Wolfgang St.); die besondere, mittelalterliche Stimmung in Mirepoix und das stark emotionale Jakobstags-Volksfest am Cruz de Ferro, sowie die Menschenmassen in Lourdes und die Faszination von Roncesvalles als erster spanischer Punkt des Weges (Hans), die Rückkehr nach Österreich nach einer langen Zeit in der Fremde (Günther); mittelalterliches Ambiente in der beeindruckenden Festung von Carcassonne und das bunte Treiben in Avignon (Peter); der Augenblick inneren Friedens beim Sitzen auf den Felsen von Fisterra (Daniel); und die vielen Begegnungen mit ausgesprochen interessanten Menschen wie Pilgern, Einheimischen, aber auch mit den zahlreich getroffenen Österreichern sowie das ganz spezielle Erlebnis der Kathedrale von Burgos (Jakob).

Individuelle landschaftliche Höhepunkte der Teilnehmer –
Verlassene Dörfer in Spanien (Wolfgang H.); die weiten, schier endlosen Felder Spaniens (Wolfgang St.), die Alm-ähnlichen Regionen in Kastilien & Galizien mit ihrem ständig sichtbaren Erikapflanzen (Hans), die Landschaften am Golf von Biscaya (Günther), die einsame aber beeindruckende kleine Burg über Castrojériz (Daniel), die weiten Sonnenblumenfelder Frankreichs (Peter), und der Blick über den Atlantik (Jakob).

Gehört

Diverse unschlagbare Aussprüche wie:

„Wos koch i heut?“
„Des wü i a!“
„’Heut geht’s rund!’ sagt der Wellensittich als er in den Ventilator kommt!“
„Wo is mei Putzfetzen?“
„Deck den Tisch net auf Mikado-Stil!“
„Im Süden oben“/ „Männer von Galiläa…!“
„Wer hatn scho wieder des Häuslpapier?“
„Hat wer an Riegel für mi?“
„Wie isn da Platz? – Najo…“
„Jo i weiß net, es is a bissl komisch…“
„Unglaubliche G’schicht!“

Und viele, viele andere…

Verdrängt (bzw. verschwiegen)

Diverse französische & italienische Toiletten (Erinnerung an Schranz-Hocke); die Übernachtung am Lago di Revine, besser bekannt als „Lago di Horror“; das „Schlüsselereignis“ von Tarascon; unsere völlige Abstinenz von allen Formen von Medien oder Musik (von den Live-Performances des Duos Stieböck/Rath abgesehen)…
Leider verschweigen mussten wir euch auch diverse Sprüche, die leider nicht die Altersfreigabe bekamen. Wir mussten annehmen, dass Minderjährige (oder Familienmitglieder) mitlesen, und entschieden uns deshalb zu geringfügiger Zensur.

Herzlichen Dank

Auch einiges an Danksagungen wollen wir an dieser Stelle unterbringen – ohne die angesprochenen Personen wäre all das nie möglich gewesen: Wir bedanken uns herzlich bei unseren Familien und Lebenspartnerinnen, die so lange auf uns verzichten mussten. Wir waren immer bei euch! Auch dass uns so viel Freiraum und Freizeit für diese Unternehmung gelassen wurde, erfüllt uns mit Freude! Weiters wollen wir unseren Freunden und Bekannten danken, die uns bei jeder Gelegenheit unterstützt haben, so gut sie konnten!
Ein besonderer Dank gilt auch den Mitorganisatorinnen des Projektes, ein ganz besonderer aber konkret einer Person: Barbara Steiner hat sich für uns – wie man so schön sagt – „einen Haxen ausgerissen“ und dafür wollen wir uns erkenntlich zeigen. Vielen Dank, liebe Barbara, das hast du großartig gemacht!
Persönlich möchte ich mich noch bei euch, den Lesern für die Treue und das Interesse an diesem Blog bedanken! Ihr seid großartig!

Hervorheben wollen wir auch unsere Sponsoren und Gönner, ohne die solch eine Reise auch nicht denkbar gewesen wäre. Vielen herzlichen Dank an:

Wiener Städtische Versicherungen


Xund & Fit

Gösser

Würth

Steiermark Tourismus


A 1

Hornig Kaffee

Peterquelle

Spar


Fiat


Volksbank


Giga Sport


Wirtschaftsnachrichten


Das war es also. Unser Abenteuer namens „Camino 2009“ ist tatsächlich zu einem glücklichen und beinahe kitschig perfekten Ende gekommen. Wir haben viel gesehen und noch mehr erlebt, Menschen kennen gelernt und gemeinsame Wege beschritten.

Doch die Mitglieder des Camino-Teams werden nicht untätig bleiben. Wir wollen nicht zuviel verraten, aber die nächsten Pläne liegen bereits in Rohform in den geistigen Schubladen der Radpilger. Wir werden weiter tüfteln und planen, und wer weiß, vielleicht geht es ja schneller als man denkt, bis man sich wieder liest…

Zum letzten Mal
Mit einem freundlichen Gruß und voller Erwartung eines hoffentlich baldigen, neuen Abenteuers

Euer
Jakob

Für das

TEAM CAMINO 2009

P.S.:
Liebe Gewinner unserer Gewinnspiele!
Wir haben nicht auf euch vergessen, innerhalb der nächsten Wochen werdet ihr eure Preise bekommen!

Mittwoch, 29. Juli 2009

Was für ein Gefühl!

Am Ende der Welt – Einer für alle, alle für einen




Das Ende der Reise am Ende der Welt – Der Anfang einer hoffentlich langen Freundschaft



Etappe 24
Bisher bewältigt: 3005,45

Santiago de Compostela – Cap Fisterra (das „Ende der Welt“)

  • 95,41 km
  • 22,0 km/H Durchschnittsgeschwindigkeit
  • 4 Stunden 10 Minuten Fahrtzeit
  • 1194 Höhenmeter
  • 2687 Kalorien pro Fahrer verbraucht

Selbst die beeindruckenste Reise, das intensivste Erlebnis findet eines Tages sein Ende.
Jetzt, da die Sonne allmählich beginnt, sich über dem „Ende der Welt“ zu senken, kommt dieses Bewusstsein klar zu Tage.
Der wohl emotionalste und zugleich letzte Abschnitt unseres gemeinsamen Weges geht hier zu Ende, an der Küste des mächtigen, atlantischen Ozeans.
Es sind Momente wie dieser, an denen man sich als Mensch so unvorstellbar klein und gleichzeitig endlos befreit fühlt.
Doch auch der heutige, finale Tag der Tour musste erst noch beginnen und begangen werden.
Ein besonderer Tag beginnt in der Regel auch besonders – so auch dieser. Der majestätische Sonnenaufgang (von uns erlebt um 07:30 Uhr), der uns morgens willkommen hieß, machte das Aufstehen (fast) leicht.
Das gesamte Team sollte sich kurz darauf mit stolzgeschwellter Brust auf dem Weg in die Innenstadt von Santiago de Compostela machen – gemeinsam wollten wir unseren Einmarsch in die heilige Stadt zelebrieren. Unser erster Weg führte uns zum Pilgerbüro, einen Steinwurf von der imposanten Kathedrale entfernt. Eine lange Schlange sollte sich uns offenbaren, auch wenn die Stimmung innerhalb selbiger niemals angeheizt, sondern vielmehr äußerst gelöst war. In der Warteschlange, die sich bis in den 1.Stock des Gebäudes ziehen sollte, wurde gelacht, getratscht und sogar musiziert, gesungen und applaudiert – ein Jakobspilger sorgte im Stiegenhaus mit Mundharmonika bewaffnet für Kurzweil und gute Stimmung.
„Schau, die san von Graz weggangen!“ – diesen Satz vernahmen wir direkt hinter uns, als wir auf die Ausstellung der begehrten Pilgerurkunde warteten. Michael und Ferry aus Fürstenfeld, die sich hinter uns eingeordnet hatten (ein weiteres Kapitel im „Buch der Treffen mit Landsleuten“ während unseres Trips) sollten sich als sehr amüsante Gesprächspartner entpuppen und auch einiges an Aufschlüssen über den Fußweg geben. Einen schönen Gruß an die beiden und Gratulation zum Abschluss der Pilgerreise! Bienvenidos a Santiago!
Nach der Erteilung der Pilgerurkunde „Compostela“ und des letzten Stempels im Pilgerpass überbrückten wir die Zeit zur Pilgermesse mit dem Besorgen diverser Mitbringsel für zuhause - hierbei sei erwähnt, der Pilger wird in Santiago keineswegs ausgenommen, vielmehr sind die Preise für diverse Devotionalien sehr moderat.

Die bereits erwähnte Pilgermesse sollte zu den absoluten Highlights der gesamten Reise werden. Die Kathedrale von Santiago, mit etwa 2000 Menschen fast bis zum Bersten gefüllt (davon zahlreiche junge Leute), verbreitete ihren besonderen Geist erstmals völlig unverblümt. Welche Kirche auf der Welt kann von sich behaupten, bereits vor 12:00 Uhr an einem Wochentag ihre Tore unter Aufsicht von Security sperren zu müssen, vor lauter Andrang der Pilger? In mehreren Sprachen wurde den Anwesenden der Segen erteilt, bevor der legendäre „Botafumeiro“, ein 50 kg schweres Weihrauchfass, an einem langen Seil durch das Querschiff der Kathedrale katapultiert wurde – eines der bekanntesten Bilder aus der Jakobs-Kathedrale in Santiago de Compostela. Eine besondere Ehre in jedem Fall, denn normalerweise kommt der Botafumeiro nur bei ganz speziellen Anlässen zum Einsatz.
Offensichtlich tief berührt von der Kraft der Pilgergemeinschaft und der Aura der Stadt fiel es unsern unerschütterlichen Pedalrittern sichtlich schwer, sich für den weiteren Etappentag zu motivieren. Auch die Tatsache, dass der galizische Himmel sich eher bedeckt und unfreundlich gab, erleichterte die Aufgabe nur bedingt.
Um 14:30 begannen unsere letzten knapp 100 Kilometer Richtung Cap Fisterra, welches sich zum emotionalen Höhepunkt des Tages entwickeln sollte. Doch alles zu seiner Zeit.
Zunächst sollte die Radlerriege noch eine finale Prüfung durch den Geist des heiligen Jakobus erwarten – zu der stetig auf und ab führenden Straße, deren Steigungen und Abfahrten sich Sinus-artig abwechseln sollten, gesellte sich ein weiteres Phänomen. Kälte, Regen und Wind sollte uns Cap Fisterra entgegen werfen, bevor wir unsere Reise endgültig abschließen konnten. Und wäre es noch nicht genug gewesen, hatten wir auch noch mit dem stetig zunehmenden Verkehr zu kämpfen. Wie Hiob müssen sie sich gefühlt haben, von höheren Mächten geprüft, unsere eifrigen „Ciclistas“.
Erwähnt sei hier noch, und das möchte ich in Erinnerung wissen, dass heute nicht einmal das sonst so obligatorische Cola Platz fand sondern durch einen wohlschmeckenden Pfefferminztee ersetzt wurde. „Ersetzt“ ist auch ein gutes Stichwort bezogen auf die Kleidung unserer Radler, denn das völlig durchnässte Sportgewand musste zwischendurch sogar gegen trockene „Mode“ getauscht werden.

Und dann, der entscheidende Moment, an dem es allen klar wurde, dass wir unser Ziel nun bald erreicht haben werden: Kurz vor der Halbinsel von Fisterra brach die Sonne wie ein stählernes Schwert durch den morsch gewordenen Schild der Wolken und erleuchtete die letzten Kilometer unseres Weges.
Es gibt Momente, wo auch ein mittlerweile „alter Hund“ auf dem Gebiet des „bloggens“ die Waffen strecken muss, weil er einfach nicht weiß, wie er gewisse Emotionen in Worte fassen soll. Solch ein Moment bemächtigte sich unser beim Anblick des mächtigen Atlantik, der sich schier unendlich zu unseren Füßen ausbreiten sollte. Gerüchten zufolge war der Blick so klar, dass man am Horizont sogar das Empire State Building sehen hätte können ;) (ist uns schon bewusst dass es so wahrscheinlich nicht gewesen sein wird, aber in solch einem Gefühlsrausch ist man bereit, fast alles zu glauben).

Nach einer Phase des inneren Friedens, der seelischen Ausgeglichenheit, sollten schließlich und endlich doch die Emotionen mit uns durchgehen.
„So ein Tag, so wunderschön wie heute…“ inbrünstig intoniert vom Camino-Team sollte das Kap erfüllen, wie viele solcher Freudenmomente wird der ehrwürdige Nullpunkt des Jakobsweges über die Jahrhunderte wohl erlebt haben?

Ich könnte ewig so weiterschwärmen, aber dabei fällt mir auf, dass ich einen Blogeintrag schreibe und kein Buch…
Wir wollen euch alle herzlich von unserem letzten Campingplatz kurz nach Corcubión, direkt am Atlantik, grüßen und euch noch eines ehrlich sagen:

Ihr kennt sicher alle das Gefühl aus verschiedensten Situationen, wenn einem aus einem besonderen Erlebnis heraus die Luft wegbleibt und man nicht weiß, was man sagen, schreiben oder sonst irgendwie mitteilen soll. Genau so empfinden wir zurzeit, wir (alle!) müssen das erlebte wohl selbst erst noch gründlich verdauen.

Morgen geht’s wieder Richtung Heimat! Wir freuen uns wieder darauf, aber eine Träne im Knopfloch bleibt doch.

euer Jakob

Für das

TEAM CAMINO 2009

P.S.: Dies ist noch nicht der letzte Blogeintrag! Auf die angekündigte, ultimative Zusammenfassung dürft ihr euch noch freuen, also bleibt uns noch etwas treu! Am Montag, dem 3.August 2009 ist es soweit!

Danke vielmals für euer Interesse, es war mir eine Ehre, für euch zu berichten!

Dienstag, 28. Juli 2009

Am Ziel, aber noch nicht am Ende

Die „Drei Radl-Musketiere“ sind nach knapp 3000 km nun am Höhepunkt der Reise, aber noch lange nicht am Ende der Kräfte.



Günther Rath, der wie ihr schon wisst nicht nur Chefkoch sondern die Seele unserer Tour, hat sich selbst die Bewachung seiner Lebensmittel Tag und Nacht zur Aufgabe gemacht



Etappe 23

Bisher bewältigt: 2910,04 km


Sarria – Santiago de Compostela

  • 121,8 km
  • 20,4 km/H Durchschnittsgeschwindigkeit
  • 5 Stunden 50 Minuten Fahrtzeit
  • 2243 Höhenmeter
  • 4750 Kalorien pro Fahrer verbraucht


Viva Santiago!

Es ist uns vom Team Camino 2009, euch allen mitzuteilen: Wir haben Santiago de Compostela erreicht! Ein Moment der Stille, der inneren Zufriedenheit erfüllte uns beim erstmaligen Anblick der imposanten Kathedrale zu Ehren des Apostels Jakobus, bald abgelöst von inbrünstigem Jubel und großer, aufrichtiger Freude – Wir haben es geschafft!

Der besondere Geist des Wallfahrtsortes war bereits im Umland zu spüren, unverkennbar auch durch die Scharen an Fuß – und Radpilgern, die eines klar vor Augen führten: Hier sind wir an einem Ort, der Menschen anzieht und inspiriert.

Dieser überaus spirituelle Ort wollte trotz allem erst erreicht werden, denn schließlich mussten unsere Radfahrer selbst in die Pedale treten und nicht der Heilige Geist.

Die innere Berührung in Santiago mussten wir uns heute erst noch verdienen, denn die Strecke des 23.Etappentages sollte dem Radler-Triumvirat alles und noch mehr abverlangen.

Auch einiges an Überraschungspaketen hat uns der Jakobsweg heute geschnürt – wer hätte gedacht, dass der alte Höhenmeter-Rekord fallen („fallen“ ist beinahe episch untertrieben, „terminiert“ würde wohl besser passen) würde, oder wer hätte die klirrende Kälte in der Früh vorausgesagt? Die noch in unserem heutigen Abfahrtsort begonnene, stetige „Bergsteigerei“, fortgesetzt durch ein permanentes, von Radfahrern heiß geliebtes Auf und Ab bewegte uns heute zum neuen Höhenrekord. Eine sportliche Höchstleistung, rechtzeitig vor dem spirituellen Gipfel der Tour.

Auch die Nässe des Tages (klar, zu solch einem Nebel passt auch nur ein bisschen Feuchtigkeit), kombiniert mit 11°C Außentemperatur kann eher auf die Seite der unangenehmen Überraschungen gezählt werden. Doch was wäre ein hart gesottener Radpilger, wenn ihn so etwas von seiner Aufgabe abbringen würde? Wir haben ja keine Schönwetter-Radler dabei!

Vor einem Unwetter hätten wir uns sowieso nicht zu fürchten gebraucht – Wolfgang St.s mobiler Blitzableiter, der Gamsbart der heute hochdekorativ seinen Helm zierte, hätte uns in all seiner Pracht vor jeglichem Übel von oben bewahrt. Darüber hinaus hatte er damit auch die Aufmerksamkeit aller Pilger für sich, die wir unterwegs überholen oder treffen sollten.

Stichwort Pilger – Der Strom selbiger war heute, so kurz vor ihrem Ziel, so dicht wie noch nie zuvor auf der Reise. Vertreten in der großen Gemeinschaft ist so gut wie alles: Spanier, etliche andere Nationen, Menschen jeden Alters. Aber besonders auffällig, zahlreiche junge Leute, und dabei nie verbissen sondern stets fröhlich und immer hoch motiviert. Auch einen Landsmann konnten wir heute wieder begrüßen – ein Pilger aus Linz, der die beschwerliche Reise zu Fuß von seiner Heimatstadt aus auf sich genommen und heute den 102. Tag seines persönlichen „Camino“ erlebt hatte. An dieser Stelle wollen wir ihm noch einen guten Weg – Bueno Camino - wünschen, bald ist es vollbracht!

Der morgige Tag wird geistige und ideelle Höhepunkte für das gesamte Camino-Team bringen – die Pilgermesse um 12:00 Uhr (Wir werden zu diesem Zeitpunkt an euch alle denken!) für die angekommenen Jakobspilger und das anschließende Ausstellen der Pilgerurkunde wird es offiziell machen: Wir sind angekommen.

Und auch wenn einige der Meinung sind, dass der offizielle Camino hier abschließt, so endet er tatsächlich erst am Cap Fisterra, schon für die Römer das „Ende der Welt“ (Lat. „Finis Terrae“). Hier geht die gemeinsame Reise zuende, bald hat uns die Heimat wieder, bald habt ihr uns wieder.


Knapp 110 Kilometer trennen uns noch vom mächtigen, Atlantischen Ozean.


mit lieben Grüßen,


Jakob

(dem es bereits jetzt etwas weh tut, dass unsere 24 Tage am Weg – und im Blog – zuneige gehen…)


Für das


TEAM CAMINO 2009


P.S.: Unbedingt weiter diese Seite besuchen, und auch andere motivieren, wir wollen unbedingt eine ganz besondere Zugriffe-Schallmauer knacken…

Schaut selbst rein und bewegt noch weitere Freunde, Verwandte, Bekannte, Wildfremde uns anzuklicken (Viel Klick!) ;)

Dankeschön!


Freuen könnt ihr euch schon auf ein besonderes Schmankerl - Nach unserer morgigen, letzten Tagesetappe werden wir uns mit einem spannenden, unüberbietbaren, noch nie da gewesenen „Abschiedsblog“ unvergesslich machen.

Montag, 27. Juli 2009

Santiago wir kommen!

Nach einem langen, intensiven Tag versinkt die Planung des nächsten Tages im Reich der Träume

Das Radlermaterial hat sich auch eine Reinigung und Pause verdient und wir wieder mit Nadel, Zwirn, Putztuch und Kettenöl für den nächsten Tag in Schuss gebracht


Etappe 22

Bisher bewältigt: 2788,24 km

Villamartín (westlich von Ponferrada) – Sarria

  • 88 km
  • 20,3 km/H Durchschnittsgeschwindigkeit
  • 4 Stunden 19 Minuten Fahrtzeit
  • 1330 Höhenmeter
  • 4258 Kalorien pro Fahrer verbraucht

Liebe Leute zuhause!

Ich freue mich inständig, euch unser morgiges Etappenziel zu verkünden – 3 Worte, die größere Bedeutung nicht haben könnten:

Santiago de Compostela - Wallfahrtsort unter dem Zeichen der Jakobsmuschel, Grabstätte des Apostels Jakobus des Älteren. Und darüber hinaus der offizielle Endpunkt unserer Pilgerreise, wenn auch unser Weg hier noch nicht endet. Wir werden weiter fahren – nach Cap Fisterra, ans „Ende der Welt“.

Detailliertes über Santiago werden wir euch im Rahmen des morgigen Eintrages erzählen.

Nun wollen wir uns jedoch den Ereignissen des heutigen Etappentages widmen.

Manche Menschen, die man auf Reisen getroffen hat, laufen einem eines Tages wieder über den Weg. So auch uns heute früh geschehen, nur wer hätte gedacht, dass es in diesem Fall gleich am nächsten Tag ein Wiedersehen geben sollte? Wie ihr bestimmt gestern gelesen habt, haben wir einen gestrandeten spanischen Mountainbiker aufgelesen und ihn in seinen Heimatort zurückgebracht. So weit so gut. Doch ratet einfach einmal, wer uns heute, diesmal in Richtung Cebreiro fahrend, vom Straßenrand zuwinken sollte – Richtig. Juanra, dem wir gestern ein Taxi boten. Für einen Plausch (oder in diesem Fall eher eine Art Scharade, aufgrund der sprachlichen Barriere) blieb keine Zeit, Juanra deutete uns nur aufgeregt und stets lächelnd, dass er diesmal keine Hilfe benötige und eigentlich nur grüßen wollte. Diese doppelte Begegnung wird uns wohl so schnell nicht loslassen – Noch einmal liebe Grüße an unseren neuen spanischen Freund an dieser Stelle – Saludos! J

Steil hinauf, steil hinunter – damit ist die Geschichte des heutigen Tages in der Ultrakurz-Fassung erzählt. Der Anstieg hinauf, zunächst in das reizende Steindorf Cebreiro, dann zum Pass „Alto do Poio“ (1337 m) war gekennzeichnet durch atemberaubende Aussicht, leicht bedeckten Himmel, phasenweise leichtem Nebelreißen und, wie könnte es anders sein, unserem stetigen Begleiter – dem nordspanischen Wind.

Nachdem der Pass erreicht war, wurde allen schlagartig eines klar: „Von jetzt an kann’s nur noch bergab gehen.“ Und es ging, aber wie!

„Einfach nur geil(e)“, (Zitat Wolfgang H.) Abfahrten beschleunigten unsere heute mehr an Geschosse erinnernden Radler auf 55 – 60 km/H. Besonders hervor stach dabei der gute Hans, der sich mit Höllentempo und dennoch gekonnt den Berg herunterwarf, er wollte es ganz offensichtlich noch einmal wissen.

Am Ende der schussartigen Abfahrt und bis unter die Helmdecke voll mit Adrenalin erreichten wir schließlich und endlich das Städtchen Sarria, unsere Pforte zur „heiligen Stadt“ Santiago.

Mal ehrlich – was würdet ihr als erstes denken, wenn euch jemand mit mehreren Verbänden am Körper und einer Konservendose in der Hand um einen Dosenöffner bittet? Der wird wahrscheinlich so intensiv versucht haben, die Dose auf zu kriegen, dass er sich dabei selbst nicht geschont hat. Und dennoch ist die Konserve Sieger geblieben – zumindest haben wir uns das gedacht. Mag auch an der ich nenne es mal „Eigenheit“ unseres Geistes liegen, aber lustig ausgesehen hat’s auf alle Fälle.
Der junge Mann, der uns auf diese Art entgegentrat, sollte uns jedoch erzählen, selbst Radpilger zu sein und kurz nach dem Cruz de Ferro mit über 60 km/H eine klassische „Brezn gerissen“ zu haben. Klingt schmerzhaft? Ist es wahrscheinlich auch.

Glück im Unglück für den verunglückten Pilger, dass unser „Tour-Medikus“ Hans sich gleich verpflichtet fühlte, sich seiner anzunehmen. Wir „Peregrinos“ müssen schließlich ganz im Geiste des Camino zusammenhalten.

Und so geht ein weiterer Tag ins Land und wir bereiten uns hier in Sarria auf einem sehr schönen, sehr modernen Campingplatz direkt am Jakobsweg auf das morgige, mächtige Ziel vor: Santiago de Compostela.

Santiago wir kommen!!!

Ein herzlicher Gruß an euch alle,


Jakob

Für das


TEAM CAMINO 2009

Sonntag, 26. Juli 2009

Am Dach der Emotionen


Unser Einsatzteam betreut nicht nur unsere Radfahrer bestens, sondern konnte diesmal auch im Geiste des Jakobsweges für einen einheimischen „Pedalritter“ helfend einspringen

Am Cruz de Ferro ein eingeschweißtes Team, das seine auf Stein geschriebenen Emotionen niederlegt.



Etappe 21

Bisher bewältigt: 2700,24 km


León – Villamartín (westlich von Ponferrada)

  • 121,4 km
  • 22 km/H Durchschnittsgeschwindigkeit
  • 5 Stunden 29 Minuten Fahrtzeit
  • 1880 Höhenmeter
  • 3249 Kalorien pro Fahrer verbraucht


"An Wein hamma eh no, oder?“


Dieses Zitat eines der Redaktion bekannten Camino-Teammitgliedes soll nicht primär veranschaulichen, dass unser Weinkonsum kein bisschen abgenommen hat. Nein, nein, wir lassen uns hier nicht ins Alkoholiker-Eck drängen, vielmehr haben sich die Teammitglieder ihr abendliches Glas Rotwein an diesem ereignisreichen Tag einmal mehr „sauer“ verdient. Deswegen auch die vorsichtige Frage, ob die heutige Belohnung wohl nicht ausfallen muss.

Ereignisreicher Tag? Ganz recht!

Der „Camino de Santiago“ sollte uns heute zahlreiche eindringliche Ereignisse bescheren, die sich bei allen Mitgliedern wohl noch längere Zeit einprägen werden. Ein Etappentag reich an kulturellen, spirituellen und persönlichen Highlights.

Den Anfang machte die Anfahrt (35 km!) zur Passhöhe des Monte Irago nach der Stadt Astorga, beinahe unentwegt steil nach oben. Während die Drahteselritter, sich heute eher Gämsen-artig den Berg hoch kämpfend, ihre Räder, Wadln und Oberschenkel malträtierten, konnten sie sich zugleich auch an der immer prächtiger werdenden Aussicht erfreuen. Diese hat bestimmt auch dazu beigetragen, dass die beiden „Wolfgänge“ und Hans heute so kontinuierlich in die Pedale getreten und den Höhenmeter-Rekord der Tour herausgefahren haben.

Der spirituelle Höhepunkt des Tages war auf einer Höhe von 1500 Metern, am so genannten „Dach des Jakobsweges“ erreicht – das „Cruz de Ferro“ (span. Eisernes Kreuz) erwartete uns.

Das Kreuz, genau am Pilgerweg postiert, übermittelt eine ganz spezielle Stimmung, ein Gefühl innerer Erfüllung, kurz gesagt, man nimmt den Geist des Jakobsweges voll und ganz in sich auf. Was dieses an sich einfache Eisenkreuz, hoch auf einem Baumstamm postiert, so besonders macht? Die Bedeutung dieses markanten Punktes liegt in der symbolischen Ablegung einer Last, dem Erlassen einer Sünde, den Beginn eines neuen Abschnittes aber zugleich auch im Gedenken an die daheim gebliebenen. Über viele Jahre hinweg legten hier immer wieder Pilger Steine nieder, die für sie das Überwinden eines Hindernisses sowie das sich befreien von einer seelischen Last bedeuteten. Und so kam es schließlich, dass das Cruz de Ferro heute hoch auf einem riesigen Steinhügel steht, und über die abgelegten Sorgen und Lasten der Pilger triumphiert. Auch haben zahlreiche Jakobspilger am Baumstamm selbst persönliche Gegenstände zurückgelassen, um symbolisch einen Neuanfang zu wagen, sowie auch Bilder von Freunden oder Verwandten, um ihrer im Stillen zu gedenken – ein weiterer Aspekt, der die Spiritualität an diesem Ort zum Greifen nahe macht. Als ob dieses Ereignis nicht schon berührend genug gewesen wäre, vor allem für unsere Radler, welche die Stimmung des Ortes nach ihrem harten bisherigen Kampf besonders stark wahrnahmen, fanden an diesem Tag auch noch Feierlichkeiten zu Ehren des heiligen Jakob statt. Volksfeststimmung an einem der eindringlichsten Orte des Weges, kein klassischer „Touristenrummel“ jedoch, sondern eine mehrheitlich von Einheimischen besuchte (wir waren als Nicht-Spanier die krasse Ausnahme), wirklich beeindruckend begangene Veranstaltung.

Vom „Dach des Camino“ sollte es schließlich über teilweise brandgefährliche Abfahrten wieder steil hinab in Richtung Tal gehen. Ein verlassenes Bergdorf nach dem Anderen sollte unseren Weg kreuzen, die malerischen aber verlassen wirkenden Orte üben durch ihre einmalige Lage einen besonderen Eindruck auf den Pilger aus – mit einem Wort gesagt: Beeindruckend (oder um es mit Hans’ Worten zu formulieren: „Unglaublich!“).

Nach einem weiteren Anstieg, die Radfahrer waren bereits wieder auf dem Weg nach unten, auf einmal ein Hilferuf – ein Mountainbiker winkte Daniel und meine Wenigkeit verzweifelt zu. Der freundliche junge Mann, ausschließlich Spanisch sprechend, stellte sich uns als „Juanra“ vor und deutete mit einer resignierenden Geste auf das Hinterrad seines Drahtesels – Klassischer „Patschn“, manchmal sagen Bilder eben doch mehr als Worte. Als er uns verständlich gemacht hatte, ob es denn möglich wäre, ihn ein Stückchen mitzunehmen (mit Hand und Fuß ging es eben doch, Daniels und mein Schulspanisch reichten einfach nicht aus) luden wir sein Mountainbike in unseren braven „Packesel“ namens Fiat Ducato und ritten weiter, immer unseren eigenen Pedalrittern nachjagend. Somit konnten wir erstmals nicht nur unserem eigenen Team helfen, sondern auch einem uns eigentlich wildfremden. Außerdem wurde uns im Laufe unserer Reise bereits so oft von Einheimischen Hilfe gewährt, da war es nur fair, einmal etwas zurück zu geben. Der Geist des Jakobsweges erfüllt uns zusehends und zeigt uns so die wirklich wichtigen Dinge des Lebens.

Kaum hatten wir unsere eigenen „Ciclistas“ wieder „eingefangen“, stand auch schon die nächste Überraschung ante portas. Mitten im kleinen Bergdorf Acebo (der Weg durch den Ort verlangte allen höchste Konzentration ab) standen wir auf einmal mir nix dir nix hinter einem Auto mit einen burgenländischen Kennzeichen – ein Mattersburger, der ebenfalls Begleiter für eine Gruppe Pilger ist. Wir können jedoch nicht sagen, welche Überraschung größer war – einen Burgenländer in Spanien zu treffen, oder einen Burgenländer auf Bergen (höher als Geschriebenstein) zu sehen… wahrscheinlich eine Kombination aus beidem. Man stelle sich die Kuriosität der Situation vor – Wir, mit einem vom Glück verlassenen, spanischen Mountainbiker auf der Rückbank, treffen im Dörfchen Acebo auf einen Landsmann, der sich gerade bestens mit unseren drei Radpilgern unterhält.

Unser gestrandeter Spanier verließ uns kurz danach wieder, die freundliche Einladung auf „una cerveza“ (span. ein Bier) mussten wir jedoch leider ausschlagen. Juanra bedeutete uns noch mit einem Lächeln auf dem Gesicht, dass wir für ihn aus dem Himmel gekommen wären und verabschiedete sich herzlich mit einem festen Händedruck. An dieser Stelle sei ihm ausgerichtet: „De Nada, gern geschehen.“ J

Leider jedoch konnten wir nicht länger verweilen, und nach einem kurzen „Griaß eich!“ von unserem burgenländischen Kollegen stürzten wir uns weiter die selten ungefährlichen Abfahrten hinab, um schließlich in Ponferrada, größte Stadt der heutigen Etappe, anzukommen. Nach kurzer Verwirrung um die tatsächliche Lage des Übernachtungsplatzes („Wir warn nie in Villamartín…“) rasten wir heute unsere müden und beeindruckten Häupter auf einem idyllischen Campingplatz in Villamartín, den neuen Tag erwartend.


ACHTUNG: Die Gewinner des Lourdes-Gewinnspieles stehen fest. Die folgenden User haben ein Überraschungsgeschenk gewonnen:


Peter Sommer

Celina (Username „Anonym“)

Ana (Username ebenfalls „Anonym“)


Gratulation, gute Arbeit!


Mit lieben Grüßen,


Jakob

Für das


TEAM CAMINO 2009

Ein Tag des Feierns

Ein Hoch auf den frischgebackenen 20er Daniel!

Hier mit hochdekorativem Gelsenlicht und spanischem Kuchen…



Wolfgang H. beim Aufwärmen in morgendlicher Kälte, siehe „Zauberpatschen“, Handschuhe und lange Ärmel





Etappe 20

Bisher bewältigt: 2578,84 km

ACHTUNG: Dies ist der Beitrag für 25.7.2009 – leider hat das Internet gestern wieder nicht mitgespielt…

Castrojeriz (westlich von Burgos) – León
  • 156 km
  • 28,7 km/H Durchschnittsgeschwindigkeit
  • 5 Stunden 27 Minuten Fahrtzeit
  • 841 Höhenmeter
  • 3850 Kalorien pro Fahrer verbraucht


Das wichtigste zuerst – eines unserer Teammitglieder zählt seit heute zu den „20ern“. Daniel feiert seinen Geburtstag! Etwas zerzaust und mit noch deutlich sichtbaren Spuren der vergangenen Nacht wurde ihm heute Morgen ein kleiner aber feiner (und wie!) Kuchen überreicht und der eine oder andere Händedruck verteilt. Als Lebenslicht für das Küchlein musste ein Gelsenlicht fungieren, Kerzen waren keine griffbereit. Auf jeden Fall wollen wir den heutigen Tag unter das Motto „Happy Birthday, Daniel!“ stellen.
Wer hätte gedacht, dass es im hochsommerlichen Spanien eine derartige Kälte haben kann. Aber tatsächlich, heute früh, gleich nach dem Aufstehen stieg das Quecksilber nach Schätzung von Wolfgang St. auf um die 8°C.
Das Ziel des heutigen Tages sollte die alte Pilgerstadt León sein. Der Weg dorthin von Castrojeriz, einem kleinen, unscheinbaren Ort am Jakobsweg sollte zunächst wieder einmal von Feldern soweit das Auge reicht gesäumt sein. Vorbei an Hügellandschaften, pittoresken Dörfern und auch einigen riesigen Windparks trug uns die Straße, die weitestgehend parallel zum Jakobs-Gehweg verläuft, immer in Richtung der Ruhestätte des Heiligen Jakob in Santiago de Compostela. Die Straße, sensationell unbefahren (teilweise 20-30 Minuten ohne ein anderes Fahrzeug) und nahezu völlig gerade, führte uns durch wunderschöne Landschaftsabschnitte entlang des originalen „Camino Francés“. Wie auf einem Wellenritt müssen sich unsere Radfahrer gefühlt haben, förmlich auf einem Rodeoritt, so wie die Strecke uns ständig Steigungen entgegen warf, nur um danach wieder hinab zu fallen. Mit unglaublichen 28,7 km/H Durchschnittsgeschwindigkeit auf 156 km, ein radfahrtechnischer Husarenritt, stachen wir Richtung Westen. Getragen wurden wir von einem leichten Ostwind, also erstmals Rückenwind für die tapferen Radpilger – wer schon einmal längere Zeit auf dem Rad gesessen hat weiß, wie sehr ein solcher Rückenwind die Aufgabe erleichtern kann.
Und so ritten wir schließlich bis nach León , auf einer Welle der Motivation und des richtigen Rückenwindes. León selbst besticht durch seine sympathische Innenstadt und natürlich auch durch seine imposante Kathedrale (wie bis jetzt in fast allen Pilgerstädten des „Camino“), zusätzlich anzumerken ist die Ruhe im Zentrum, wahrscheinlich begründet durch die Tatsache, dass unser Besuch auf Samstag Nachmittag fiel.
Ein weiteres Kapitel im Lehrbuch „Wie verstecke ich einen Campingplatz“ wurde ebenfalls geschrieben, erweitert durch die Ergänzungsschrift „Campingplätze von der komplett falschen Richtung anfahren, Band 1, 2 und 3 “ (Autor: Team Camino 2009).
Der im Campingführer der Region Castilla y León blumig beschriebene Platz sollte sich als exzellent getarnt in den Hügeln über León erweisen. Das wir allerdings erst tags darauf erkennen sollten, wie weit daneben wir wirklich waren, lassen wir hier einmal ausgespart.
In unser Elend aus anscheinend nicht existierenden Orten, phantom-artigen Umfahrungsstraßen und Einwohnern, die noch nie etwas von einem Campingplatz in der Nähe gehört hatten, traten am Ende allerdings doch noch zwei Retter. Besser gesagt, eine Retterin und ein Retter. Eine gebürtige Russin, die in Spanien Englisch unterrichtet (was für eine Kombination!) und ihr spanischer Ehepartner kamen, wie von ganz oben gesandt, im Auto vorbei und nahm sich unserer verzweifelten Lage an. Die beiden erkannten recht schnell, dass mit Erklärungen allein hier nichts zu holen war und so beschlossen sie, uns zum Ziel zu führen. Somit haben wir wieder einmal freies Geleit zu unserer Destination erhalten, wie schon mehrfach auf dieser Reise. Auf der Suche begleitete uns das Paar durch Gegenden, die nicht einmal ihnen als ortsansässige des Raumes León geläufig waren, und doch konnten sie uns zu unserem Campingplatz führen. An dieser Stelle sei beiden ein riesiger Dank ausgesprochen, sie haben uns aus dieser Situation förmlich herausgerissen. Muchas gracias!!!

Wahrscheinlich wäre es hilfreich gewesen, den Platz in beide Fahrtrichtungen zu markieren, allerdings haben die Betreiber wohl niemals damit gerechnet, dass aus dieser Richtung tatsächlich Menschen kommen würden. Kann ihnen auch keiner übel nehmen, wir hätten uns auch nie gedacht, dass wir durch solch verlassene Gegenden fahren würden.
Der Abend war schließlich geprägt durch ein ausführliches und köstliches Mahl (spanische Spezialitäten- Jamón de Serrano, Pulpo a la Galicia, Paella, Bocorones!) anlässlich Daniels Geburtstages, Jakobs Namenstages und – also einmal Kochpause für unseren privaten Paul Bocuse, Günther, der ebenfalls hochleben gelassen wurde, vielen Dank an dieser Stelle für die vielen kulinarischen Highlights! Es sollte ein gemütlicher Abend werden, der gerade ausklingt…

Wir grüßen euch alle recht herzlich,

Jakob

Für das
TEAM CAMINO 2009