Sonntag, 26. Juli 2009

Am Dach der Emotionen


Unser Einsatzteam betreut nicht nur unsere Radfahrer bestens, sondern konnte diesmal auch im Geiste des Jakobsweges für einen einheimischen „Pedalritter“ helfend einspringen

Am Cruz de Ferro ein eingeschweißtes Team, das seine auf Stein geschriebenen Emotionen niederlegt.



Etappe 21

Bisher bewältigt: 2700,24 km


León – Villamartín (westlich von Ponferrada)

  • 121,4 km
  • 22 km/H Durchschnittsgeschwindigkeit
  • 5 Stunden 29 Minuten Fahrtzeit
  • 1880 Höhenmeter
  • 3249 Kalorien pro Fahrer verbraucht


"An Wein hamma eh no, oder?“


Dieses Zitat eines der Redaktion bekannten Camino-Teammitgliedes soll nicht primär veranschaulichen, dass unser Weinkonsum kein bisschen abgenommen hat. Nein, nein, wir lassen uns hier nicht ins Alkoholiker-Eck drängen, vielmehr haben sich die Teammitglieder ihr abendliches Glas Rotwein an diesem ereignisreichen Tag einmal mehr „sauer“ verdient. Deswegen auch die vorsichtige Frage, ob die heutige Belohnung wohl nicht ausfallen muss.

Ereignisreicher Tag? Ganz recht!

Der „Camino de Santiago“ sollte uns heute zahlreiche eindringliche Ereignisse bescheren, die sich bei allen Mitgliedern wohl noch längere Zeit einprägen werden. Ein Etappentag reich an kulturellen, spirituellen und persönlichen Highlights.

Den Anfang machte die Anfahrt (35 km!) zur Passhöhe des Monte Irago nach der Stadt Astorga, beinahe unentwegt steil nach oben. Während die Drahteselritter, sich heute eher Gämsen-artig den Berg hoch kämpfend, ihre Räder, Wadln und Oberschenkel malträtierten, konnten sie sich zugleich auch an der immer prächtiger werdenden Aussicht erfreuen. Diese hat bestimmt auch dazu beigetragen, dass die beiden „Wolfgänge“ und Hans heute so kontinuierlich in die Pedale getreten und den Höhenmeter-Rekord der Tour herausgefahren haben.

Der spirituelle Höhepunkt des Tages war auf einer Höhe von 1500 Metern, am so genannten „Dach des Jakobsweges“ erreicht – das „Cruz de Ferro“ (span. Eisernes Kreuz) erwartete uns.

Das Kreuz, genau am Pilgerweg postiert, übermittelt eine ganz spezielle Stimmung, ein Gefühl innerer Erfüllung, kurz gesagt, man nimmt den Geist des Jakobsweges voll und ganz in sich auf. Was dieses an sich einfache Eisenkreuz, hoch auf einem Baumstamm postiert, so besonders macht? Die Bedeutung dieses markanten Punktes liegt in der symbolischen Ablegung einer Last, dem Erlassen einer Sünde, den Beginn eines neuen Abschnittes aber zugleich auch im Gedenken an die daheim gebliebenen. Über viele Jahre hinweg legten hier immer wieder Pilger Steine nieder, die für sie das Überwinden eines Hindernisses sowie das sich befreien von einer seelischen Last bedeuteten. Und so kam es schließlich, dass das Cruz de Ferro heute hoch auf einem riesigen Steinhügel steht, und über die abgelegten Sorgen und Lasten der Pilger triumphiert. Auch haben zahlreiche Jakobspilger am Baumstamm selbst persönliche Gegenstände zurückgelassen, um symbolisch einen Neuanfang zu wagen, sowie auch Bilder von Freunden oder Verwandten, um ihrer im Stillen zu gedenken – ein weiterer Aspekt, der die Spiritualität an diesem Ort zum Greifen nahe macht. Als ob dieses Ereignis nicht schon berührend genug gewesen wäre, vor allem für unsere Radler, welche die Stimmung des Ortes nach ihrem harten bisherigen Kampf besonders stark wahrnahmen, fanden an diesem Tag auch noch Feierlichkeiten zu Ehren des heiligen Jakob statt. Volksfeststimmung an einem der eindringlichsten Orte des Weges, kein klassischer „Touristenrummel“ jedoch, sondern eine mehrheitlich von Einheimischen besuchte (wir waren als Nicht-Spanier die krasse Ausnahme), wirklich beeindruckend begangene Veranstaltung.

Vom „Dach des Camino“ sollte es schließlich über teilweise brandgefährliche Abfahrten wieder steil hinab in Richtung Tal gehen. Ein verlassenes Bergdorf nach dem Anderen sollte unseren Weg kreuzen, die malerischen aber verlassen wirkenden Orte üben durch ihre einmalige Lage einen besonderen Eindruck auf den Pilger aus – mit einem Wort gesagt: Beeindruckend (oder um es mit Hans’ Worten zu formulieren: „Unglaublich!“).

Nach einem weiteren Anstieg, die Radfahrer waren bereits wieder auf dem Weg nach unten, auf einmal ein Hilferuf – ein Mountainbiker winkte Daniel und meine Wenigkeit verzweifelt zu. Der freundliche junge Mann, ausschließlich Spanisch sprechend, stellte sich uns als „Juanra“ vor und deutete mit einer resignierenden Geste auf das Hinterrad seines Drahtesels – Klassischer „Patschn“, manchmal sagen Bilder eben doch mehr als Worte. Als er uns verständlich gemacht hatte, ob es denn möglich wäre, ihn ein Stückchen mitzunehmen (mit Hand und Fuß ging es eben doch, Daniels und mein Schulspanisch reichten einfach nicht aus) luden wir sein Mountainbike in unseren braven „Packesel“ namens Fiat Ducato und ritten weiter, immer unseren eigenen Pedalrittern nachjagend. Somit konnten wir erstmals nicht nur unserem eigenen Team helfen, sondern auch einem uns eigentlich wildfremden. Außerdem wurde uns im Laufe unserer Reise bereits so oft von Einheimischen Hilfe gewährt, da war es nur fair, einmal etwas zurück zu geben. Der Geist des Jakobsweges erfüllt uns zusehends und zeigt uns so die wirklich wichtigen Dinge des Lebens.

Kaum hatten wir unsere eigenen „Ciclistas“ wieder „eingefangen“, stand auch schon die nächste Überraschung ante portas. Mitten im kleinen Bergdorf Acebo (der Weg durch den Ort verlangte allen höchste Konzentration ab) standen wir auf einmal mir nix dir nix hinter einem Auto mit einen burgenländischen Kennzeichen – ein Mattersburger, der ebenfalls Begleiter für eine Gruppe Pilger ist. Wir können jedoch nicht sagen, welche Überraschung größer war – einen Burgenländer in Spanien zu treffen, oder einen Burgenländer auf Bergen (höher als Geschriebenstein) zu sehen… wahrscheinlich eine Kombination aus beidem. Man stelle sich die Kuriosität der Situation vor – Wir, mit einem vom Glück verlassenen, spanischen Mountainbiker auf der Rückbank, treffen im Dörfchen Acebo auf einen Landsmann, der sich gerade bestens mit unseren drei Radpilgern unterhält.

Unser gestrandeter Spanier verließ uns kurz danach wieder, die freundliche Einladung auf „una cerveza“ (span. ein Bier) mussten wir jedoch leider ausschlagen. Juanra bedeutete uns noch mit einem Lächeln auf dem Gesicht, dass wir für ihn aus dem Himmel gekommen wären und verabschiedete sich herzlich mit einem festen Händedruck. An dieser Stelle sei ihm ausgerichtet: „De Nada, gern geschehen.“ J

Leider jedoch konnten wir nicht länger verweilen, und nach einem kurzen „Griaß eich!“ von unserem burgenländischen Kollegen stürzten wir uns weiter die selten ungefährlichen Abfahrten hinab, um schließlich in Ponferrada, größte Stadt der heutigen Etappe, anzukommen. Nach kurzer Verwirrung um die tatsächliche Lage des Übernachtungsplatzes („Wir warn nie in Villamartín…“) rasten wir heute unsere müden und beeindruckten Häupter auf einem idyllischen Campingplatz in Villamartín, den neuen Tag erwartend.


ACHTUNG: Die Gewinner des Lourdes-Gewinnspieles stehen fest. Die folgenden User haben ein Überraschungsgeschenk gewonnen:


Peter Sommer

Celina (Username „Anonym“)

Ana (Username ebenfalls „Anonym“)


Gratulation, gute Arbeit!


Mit lieben Grüßen,


Jakob

Für das


TEAM CAMINO 2009

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